Junker Konrad Schilling von Lahnstein

Hans-Peter Koll

 

In Kottenheim hat er eine schon legendäre Bedeutung. Keine der geschriebenen Ortsgeschichten kam bisher an ihm vorbei. Die Rede ist von Junker Konrad Schilling von Lahnstein, dessen kunstgeschichtlich bedeutsamer Epitaph in den vergangenen Jahren mühevoll restauriert wurde und nun in Kottenheim in der Nikolauskirche in neuem Glanz erstrahlt.

 

Junker Schilling Epitaph vor der RestaurierungWer war dieser Junker K o n r a d, der vor 475 Jahren starb? Das Einzige was wir von ihm genau wissen, ist sein Todestag: IM IAER VNS HEREN 1539 OF DEN ACHTEN DAG MARTII, also der 8. März 1539, verkündet die Umschrift auf seinem Grabstein. Er war verheiratet mit Otta von Liebenstein (von Burg Liebenstein am Rhein, eine Burg der sog. »feindlichen Brüder«), die ihn überlebte; 1544 wird sie noch als Witwe erwähnt.1 Das Ehepaar hatte fünf Kinder: Anna Maria, Konrad, der Domherr zu Worms wurde und 1597 starb, Adolf, der 1562 bei der Kaiserwahl zu Frankfurt erwähnt wird, Dietrich und Werner, der kurtrierischer Hauptmann auf Ehrenbreitstein war, 1561 mit Teilen der Burg zu Nickenich belehnt und der nach seinem Tod 1597 dort, in der Pfarrkirche beigesetzt wurde. 2

 

Was aber hat einen Schilling von Lahnstein nach Kottenheim verschlagen? Es war die Heirat der Eltern: der Vater Junker Daniel Schilling von Lahnstein heiratete einige Jahre vor 1486 die Margarethe von Kottenheim; in einer Urkunde des genannten Jahres werden beide bereits als Eheleute erwähnt.3 Die Ehe kam wahrscheinlich auf Fürsprache der Väter des Paares – also die Großväter von Konrad – zustande, die sich gut kannten. Beide Familien gehörten zur Andernacher Oberschicht. Junker Johann Schilling von Lahnstein und Junker Konrad von Kottenheim waren dort Ratsherren und Schöffen. Johann fungierte zwischen 1458 und 1474 als Ratsherr. Konrad und sein Schwiegersohn Daniel besiegelten in ihrer amtlichen Funktion eine Reihe von Urkunden in Andernach; Konrad im Zeitraum zwischen 1459 und 1489, Daniel zwischen 1477 und 1537.4 Am 9. Januar 1477 siegelten Konrad von Kottenheim und Daniel Schilling von Lahnstein beispielsweise gemeinsam eine Urkunde der Brüder Johann und Jakob Schneiß von Grenzau, in der beide als Freunde der genannten Brüder bezeichnet werden.5 Konrad war 1464 Bürgermeister und 1478 Baumeister. Der Schwiegersohn Daniel amtierte zwischen 1484 und 1530 gar siebenmal als Bürgermeister der Stadt. 6

 

Das Haus der Schillinge von Lahnstein stand uff dem Steinwege, genannt Schillingßhoff (heute: Steinweg 14).7 Damit dürfte der Hof in einem der »besseren Viertel« von Andernach gelegen haben, denn gepflasterte Straßen waren selten. Über die damaligen hygienischen Verhältnisse, auch in den besseren Vierteln, sollte man sich jedoch keine Illusionen machen. Noch 1551 wird der Andernacher Feldmeister vom Rat angehalten, »alle Freitage tote Hunde, Katzen und Ferkel in  (…) den Gassen und Straßen der Stadt einzusammeln und bei Sonnenschein in den Rhein zu tragen«8.

 

Kottenheimer Besitz der Schilling von Lahnstein wird ausgangs des Mittelalters erstmals fassbar. Der Vater Konrads, Junker Daniel, hatte 1484 von Gieselbrecht v. Mielen, gen. v. Dieblich, dem Küchenmeister des Erzbischofs von Trier, eine Wiese in Kottenheim gekauft. Beide kannten sich aus Andernach, denn Gieselbrecht hatte wohl öfters geschäftlich mit dem Andernacher Rat zu tun.4 Wahrscheinlich hatte Daniel diese Wiese nach seiner Heirat erworben, um darauf sein Hayss uff der Bach zu erbauen. Während seiner Aufenthalte in Kottenheim wollte er nicht unbedingt auf der Burg seiner Schwiegereltern wohnen, die wir uns als einen befestigten Hof vorstellen müssen.

 

Die Familie »von Kottenheim« hatte schon seit Jahrhunderten einen ansehnlichen Grundbesitz in Kottenheim. Erste schriftliche Nachweise reichen in die Mitte des 14. Jahrhunderts zurück.

So führt ein Lehnsbrief der Brüder Johann und Meinwart von Kottenheim aus dem Jahre 1358 neben einer hovestat zu Kuttenheim, die da gelegen iss hinder der schuren des Wedemhoves Grundstücke auf, die 1584 in einem Lehensrevers des Werner Schilling v. Lahnstein, ein Sohn unseres Junker Konrad, wieder genannt werden.9 Offenbar hatten Daniel oder sein Sohn Konrad den Grundbesitz derer »von Kottenheim« geerbt; auch die Kottenheimer Burg wird im 17. Jahrhundert schließlich Schillingshof genannt.10 Der Grundbesitz war so umfangreich, dass in den Güter- und Zinsverzeichnissen Grundstücke in der Kottenheimer Gemarkung der Einfachheit halber oft nur aufgrund ihrer Lage zum Besitz der Familie Schilling beschrieben werden konnten (so beispielsweise: langs Junker Schilling, neben Junker Schilling, obig Junker Schilling, usw.).10

 

Aber auch andernorts scheint die Familie von Kottenheim Ländereien besessen zu haben. So verkauften Lantzlait von Kottenheim und seine Ehefrau Katharina von Lieser am 27. März 1418 dem Kloster Namedy Landbesitz daselbst.11 Katharina gehörte der Andernacher Schöffen- und Ratsherrenfamilie von Lieser (oder von Leser) an. Möglicherweise hatte dieser Lanzelot auch versucht, etwas unrechtmäßig zu Einkünften zu kommen. Am 17. November 1431 lässt seine (zweite ?) Ehefrau Meckela Salen, Witwe des Koblenzer Schöffen Johannes Sale, notariell beglaubigen, dass Lanczlai sich unrechtmäßig eine Urkunde über 24 Malter Korngülte aneignete habe, die aber ihr und ihrem Sohn, Friedrich von Graf Wilhelm von Wied, verkauft worden waren. 12 Sechs Jahre vorher, am 18. Mai 1425, beurkundet Lanzelot für sich, seine ehelichen Kinder Conrad und Vreugin (Veronika) und seine Erben und Nachkommen, dass ihm sein Junker Wilhelm Graf zu Wied und Herr zu Isenburg ebenfalls 24 Malter Kornrente auf eine Mühle »auf dem Fahr« verkauft hat.13

 

Doch kehren wir zurück zu Junker Konrad. Sein Geburtsjahr dürfte zwischen 1485 und 1500 liegen. Der Geburtsort ist zwar unbekannt, doch spricht einiges für Andernach, wo die Familie der Schilling von Lahnstein schon einige Genrationen innerhalb der städtischen Oberschicht lebten. Konrads Vater Daniel, wohl um 1455 geboren, siegelte 1477 erstmals als Schöffe und heiratete um 1485. Auffallend ist jedoch, dass Konrad im Gegensatz zu seinen Brüdern in keinen der Andernacher Urkunden und Ratsprotokollen dieser Zeit erscheint. Doch haben diese Aufzeichnungen ausgerechnet zwischen den Jahren 1524 und 1550 eine Lücke. Sollte Konrad in diesem Zeitraum im Rat der Stadt tätig gewesen sein, würde das für eine Geburt um das Jahr 1500 sprechen. 1528 wird Konrad von Erzbischof Hermann von Köln, mit drei Teilen des Mainfelder Hauses und Hofes im benachbarten Nickenich belehnt. Im gleichen Jahr heiraten Konrad und Otta.14

 

Das Ehepaar soll angeblich in Kamp beerdigt sein. Eine nur unvollständig überlieferte Inschrift auf dem Grabmal der Schwiegereltern Franz von Liebenstein und Margarethe von Enschringen

in der Pfarrkirche zu Camp lautete: AN[NO] • 1 • 5 • 3 • 5 • IST CONRAT SCHILLINCK VO[N] • LANSTEN VNd OTTO VON LEBENSTEIN IHR • BEIDER ELd … dOCHTER

A … GOT VERSTORBENE. Da Konrad aber erst vier Jahre später, 1539, starb und Otta 1544 noch lebte, muss diese noch nicht ganz entschlüsselte Inschrift eine andere Bedeutung haben.

 

Das Kottenheimer Erbe der Familie Schilling von Lahnstein soll an die Grafen von der Leyen gegangen sein, denn noch 1789 wird in der Beschreibung des Amtes Mayen notiert: Des castrensis Güter haben Graf von Metternich und Graf von der Leyen, und zwar letzterer wegen des Herrn von Schilling, dieser ist daselbsten im 16ten Jahrhundert gestorben und in der Kirche zu Cottenheim begraben.15

 

Junker Schilling Epitaph nach der RestaurierungAuch wenn wir über die Eltern und Großeltern des Junkers Konrad besser informiert sind, als über ihn selbst, so ist er es, der den Kottenheimern in Erinnerung geblieben, weil er ihnen den »Mülle Bösch« geschenkt haben soll. Zwar gibt es über diese Schenkung heute keine Urkunde mehr: Aber es wird schon seinen Grund haben, dass die Erinnerung an ihn auch nach fast 500 Jahren noch nicht verblasst ist. Und schließlich - dies sei an dieser Stelle mit einem Augenzwinkern vermerkt - ist die (ernst oder auch nur scherzhaft?) gemeinte Ortsbezeichnung »Kottenheim bei Andernach am Rhein« vielleicht nur eine Erinnerung daran, dass zwei in Kottenheim begüterte Adelsfamilien für mehr als hundert Jahre Ratsherren, Schöffen und Bürgermeister von Andernach stellten.

 

 

 

 

Abb. 1: Epitaph vor der Restaurierung: links das Wappen der Schilling von Lahnstein, rechts das Wappen derer von Kottenheim (Foto: Peter Koll). Abb. 2: Epitaph nach der Restaurierung (Foto: Peter Koll).

1 LUNG, Walter: Kottenheim. Ein Dorf und seine Landschaft. Mayen 1962, S. 96.

2 http://www.st-arnulf.de/Material/Nickenich-Buch-1925 /Nickenicher_Buch_S34.shtml

3 LEDEBUR, C. v.: Urkundliche Nachrichten über die Familie Lanstein. In: Rhenus – Beiträge zur Geschichte des

Mittelrheins, 1. Jg., Oberlahnstein 1883, S. 87 Nr. 22.

4 HEYEN, Franz-Josef: Inventar des Archivs der Stadt Andernach. Band 1 & 2 - Einzelurkunden. (= Veröffentlichungen

der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz, Bd. 4, 7). Koblenz 1965, 1967.

5 Hessisches Hauptstaatsarchiv(= HStAW) Abt. 121 Nr. U Schneiß von Grenzau 1477 Januar 9.

6 WEIDENBACH, Stephan, Namensverzeichnis der Amtmänner, Schultheiße, Schöffen usw. in Andernach.in: Mitteilungen

der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde, Bd.II, Heft 7 /Juli 1920 und Bd.III, Heft 2 / Sept. 1921

7 HUISKES, Manfred, Das Phantom der »Hansestadt« Andernach. In: Andernacher Annalen 1, Jg. 1995/96, Andernach

1994, S. 41ff.
8 HEYEN, Franz-Josef: Inventar des Archivs der Stadt Andernach. Band 4 - Einzelurkunden. (= Veröffentlichungen

der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz, Bd. 10). Koblenz 1970, S. 97 Nr. 2098

9 IWANSKI, Wilhelm: Geschichte der Grafen von Virneburg von ihren Anfängen bis auf Robert IV. (1383). Berlin/

Koblenz 1912, S. 23.

10 PICKEL, Alois, Familienbuch Kottenheim, Band I. Koblenz 1991/1994 S. 613 ff.

11 EDER, Irmtraud: Inventar des Archivs der Stadt Andernach. Band 6 - Urkunden des Klosters Namedy. (= Veröffentlichungen

der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz, Bd. 32). Koblenz 1979. S. 33 Nr. 2811.

12 HStAW Abt. 12 Nr. U 136.

13 Landeshauptarchiv Koblenz (= LHA Ko), Best. 48 (= Reichsherrschaft, Reichsgrafschaft und Reichsfürstentum

von der Leyen) Urkunde Nr. 5063; frdl. Mitteilung von Erich Walther.

14 LEDEBUR, C. v.: Urkundliche Nachrichten über die Familie Lanstein. In: Rhenus – Beiträge zur Geschichte des

Mittelrheins, 1883, 1./2. Jg., Oberlahnstein 1883/1884.

15 MEESEN, Karl Kaspar & MEESEN, Urban, Beschreibung des Amtes Mayen. (= Grundlagen zur Heimatkunde, Bd.

9, bearb. von Fridolin HÖRTER und Achim KRÜMMEL, Mayen 1998, S. 201.